Deutschland hat ein Umsetzungsproblem: COVID-19 wird zum Katalysator für die digitale Lehrerausbildung
Die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern ist für das Funktionieren unserer Gesellschaft systemrelevant. Lehrkräfte verantworten nicht nur im Klassenraum erfolgreiche Lernprozesse, sondern auch beim digitalen Lernen. Viele sind dafür aber noch nicht ausgebildet – das muss sich jetzt ändern! Wie, das erläutert Anja Durdel in ihrem Artikel.

Dr. Anja Durdel
Business Manager, Education and Social Welfare
T: +49 30 302020-208Das Umsetzungsproblem der digitalen Bildung
Das Konjunkturpaket stellt Mittel bereit, um die technischen Grundlagen und die Technikwartung als Voraussetzung für digitales Lernen an Schulen zu schaffen. Gleichzeitig gibt es im Konjunkturpaket die Forderung, dass die Länder verstärkt in die Weiterbildung von Lehrkräften investieren sollen. Das ist wichtig, denn wir benötigen, wie ich in meinem letzten Artikel schrieb, neben der technischen Ausstattung die nötigen Kompetenzen und die Bereitschaft, gewohnte Muster und Widerstände zu durchbrechen.
Nun muss vieles gleichzeitig bereitstehen: Ein gutes Management bei der Ausstattung der Schulen sowie gemeinsame Kraftanstrengungen der Länder, Hochschulen, Fortbildungsinstitute, jedes Lehrerkollegiums und jeder einzelnen Lehrkraft. Denn Schülerinnen und Schüler brauchen die Chance, jederzeit innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers ihr Lernen mit Unterstützung von Lehrkräften und digitalen Tools erfolgreich zu gestalten. Am besten gewinnen wir die Lehrenden bereits in ihrem Studium für „visible Learning“, begleitet durch den effektiven Einsatz von Computern.
Digitalkompetenzen in der Lehrerausbildung verankern
Lehrerinnen und Lehrer sind von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Bildungssystems. So steht es in der Bund-Länder-Vereinbarung für die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von 2013, die die Grundlage für das größte bundesweite Fördervorhaben für eine bessere Lehrerbildung seit Jahrzehnten ist. Bereits im Zwischenbericht unserer Evaluation dieses Bund-Länder-Förderwettbewerbs haben mein Team und ich betont, dass die Digitalisierung in der Qualitätsoffensive noch zu wenig Beachtung findet. Wir konnten sehen, dass in einigen Projekte digitale Hilfsmittel erforscht und eingesetzt wurden, um inklusiv den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden. Aber in der Breite der Projekte spielte die Digitalisierung eine zu geringe Rolle. Das BMBF hat 2018 mit einer zusätzlichen Förderlinie „Digitalisierung in der Lehrerbildung“ reagiert. Schon die Titel der darin geförderten Hochschulprojekte zeigen, dass Digitalkompetenzen damit so nachhaltig in die Lehrerbildung gebracht werden sollen, dass sie nie wieder vergessen werden, z.B. „Research - Relevance - Responsibility, Aufbau eines nachhaltigen Forschungs- und Transferzentrums“ (Tübingen) oder „Digitale Lücken in der Lehrkräftebildung schließen: Aufbau digitaler Kompetenzen in der Lehramtsaus-, -fort- und –weiterbildung“ (Frankfurt).
Viele Hochschulprojekte beschränken sich nicht nur auf ihre Hochschule, sondern binden das Referendariat, die Lehrerfortbildung und Schulen gleich mit ein. In NRW geschieht dies sogar nahezu landesweit, indem 12 Hochschulen in einem Projekt mit den Akteuren der zweiten und dritten Phase der Lehrkräftebildung „Communities of Practice“ bilden. In den Projekten wird dadurch eine Schlüsselvariable für erfolgreiche Digitalisierung in der Lehrkräftebildung adressiert: Denn wir benötigen Kooperation! Gebraucht werden integrierte Konzepte, die sich auf alle Phasen der Lehrkräftebildung beziehen und die Rückendeckung von der Landespolitik erhalten. Ich bin mir sicher: COVID-19 wird allen Landesregierungen vor Augen geführt haben, dass der digitalen Bildung höchste Priorität eingeräumt werden muss. Die Projekte an den Hochschulen können dafür der dringend benötigte Impuls sein.